Auf Wiedersehen Bibliographisches Institut

Vor die Wahl gestellt, war es für mich ein no brainer, 2007 als Community Manager zu Brockhaus zu gehen.

Es war Liebe auf den ersten Blick. Natürlich hatte ich mir bis dato nie einen Brockhaus leisten können. Dennoch habe ich die in Leder gebundenen, mit Goldschnitt versehenen, 30 Bände immer bewundert und hatte einen Heidenrespekt vor der Arbeit, die in einem solchen Mammutwerk steckt. Mittlerweile bin ich stolzer Besitzer einer vollständigen Brockhaus Enzyklopädie und hatte die Ehre, viele der Menschen kennenzulernen, die daran gearbeitet haben. Für diese Zeit, für diese Erfahrung, bin ich sehr dankbar. Zwei Höhepunkte dieser Zeit waren meine Besuche bei der Redaktion in Leipzig und meine erste berufliche Buchmesse 2007.

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https://youtube.com/watch?v=D_ED7Qw-_mc

Es war eine schnelle, intensive, Zeit — ich hatte das Gefühl, als würde ein Schaufelbagger direkt über mir abladen und abladen und abladen.

Leider ging es dann schneller zu Ende, als die meisten dachten. Es war erst knapp ein Jahr später, dass aus der Bibliographisches Institut & F. A. Brockhaus AG die Bibliographisches Institut AG wurde. Ich verrate hier keine Geheimnisse, all diese Vorgänge sind in den Medien diskutiert worden. Hatten wir, die Onliner des Hauses und die Redaktion in Leipzig, noch bis zuletzt an Brockhaus Online Meyers Lexikon online gearbeitet und es im September 2008 gelauncht, war seit dem 18. Dezember 2008 klar, dass es schon bald vorbei sein würde. Der Jahreswechsel 2008/2009 war durchaus nicht angenehm und markierte für viele Kolleginnen und Kollegen das Ende einer jahrelangen Verbundenheit. Sagen wir es kurz: es war häßlich.

So begann das Jahr 2009 für uns mit einer Neuorientierung und der — eigentlich lange überfälligen — Konzentration auf die anderen Marken des Hauses, damals also Duden und Meyers. Brainstormend und konzipierend waren wir Ende des Sommers soweit, die Onlineaktivitäten des BI ordentlich aufzupolieren. Angefeuert vom neuen Eigentümer, der Cornelsen Holding, folgte ein langer, anstrengender Strategieprozess, der bis ins Frühjahr 2010 die Köpfe rauchen ließ.

Parallel dazu zogen die Kolleginnen und Kollegen der Patmos Verlagsgruppe bei uns ein. 2010 war geprägt von weiteren Umstellungen, Neuerungen und Verlagerungen. Es stand die Umfirmierung zur GmbH an, die Integration von Patmos und natürlich die letzten Vorbereitungen auf das Relaunch-Projekt Duden Online. Außerdem konnte ich im Frühjahr endlich das Intranet relaunchen. Seit dem Sommer hatten wir dann alle notwendigen Maßnahmen abgeschlossen und konnten mit der eigentlichen Arbeit beginnen. Für mich bedeutet das vor allem Arbeit an der Infrastruktur und der Content-Strategie.

Wenn ich auf die vergangen drei Jahre zurückblicke, sehe ich im doppelten Wortsinn in die Vergangenheit. Viele gute Menschen und Ideen blieben auf der Strecke.

Wenn ich sage, ich werde euch vermissen, wisst ihr, wer gemeint ist.

Ist schon komisch, wenn ich den Text bis hier her lese, wie traurig er klingt …

Denn eigentlich bin ich fröhlich. Ich weiß, dass ich nicht kompletten Blödsinn hinterlasse und das es für alle weitergehen wird. Beim BI oder anderswo.

Die Entscheidung, meinen Arbeitsplatz zu kündigen, hat nichts mit meinem Umfeld beim BI zu tun. Es ist eine egoistische Entscheidung basierend auf Überlegungen, die ich schon lange mit mir herum trage, und die nun Realität wird.

Ich bin gespannt und aufgeregt und beruhigt zugleich.

Achtet nach dem Jahreswechsel auf mein XING-Profil oder meine Timelines bei Twitter und Facebook. Die meisten von euch, denke ich, werden dann verstehen.

http://youtube.com/watch?v=hngy4Im6yYk

The Road goes ever on and on —
Down from the door where it began. —
Now far ahead the Road has gone, —
And I must follow, if I can, —
Pursuing it with eager feet, —
Until it joins some larger way —
Where many paths and errands meet. —
And whither then? I cannot say.

J. R. R. Tolkien

Bild: CC-BY, qmnonic

PS. Für alle Nicht-BIler: Beim BI ist es üblich, eine Abschiedsmail an “0 Alle in Mannheim” zu schreiben. Das hier ist meine Variante dieser Mail.

PPS. Eins steht fest. Jetzt, wo alles klar ist, werde ich wieder gut schlafen können :-)

10 comments

  1. Seufz. Habe ich Dein “So, nun ist es raus” also doch richtig verstanden. War nett mir Dir :-)

  2. “Viele gute Menschen und Ideen blieben auf der Strecke.”

    Sehr passend gesagt. Und eigentlich nach der guten Anfangszeit erst recht Schade. Bezeichnend finde ich schon, dass es für uns alle eine grosse Sache ist. Sowohl der Untergang des BI, als auch wenn wir dort kündigen. Es zeigt doch, dass es eben mehr als ein Job war.

    Aber eine frohe Botschaft ist es, dass du jetzt offenbar was anderes gefunden hast. Life goes on, lalala.

    Und jetzt spannst du uns natürlich alle auf die Folter, wohin du wohl gehen wirst. Dabei bin ich doch sooo neugierig.

  3. Jetzt weiß ich gar nicht ob ich “Glückwunsch” oder “Beileid” schreiben soll. Ich hoffe, du bleibst der Buchbranche doch noch ein wenig verbunden — und sei es nur im Geiste. Und ich hoffe, dass du trotzdem noch den Weg auf das nächste BuchCamp finden wirst.

    Jedenfalls alles Gute im neuen Job, wohin er dich auch treiben mag.

  4. Lieber Herr Carlin,
    Ihren Schritt verstehe ich und - halten Sie sich nicht für Jesus - ich folge Ihnen nach; zumindest bald. Mit Ihnen geht wieder einer von den Guten und man hat schon keine Worte mehr, zu beschreiben, wie man sich fühlt.
    Ich wünsche Ihnen alles erdenklich Gute auf Ihrem weiteren Weg und hoffe Sie in Freiheit mal wieder zu treffen.
    Alles Gute
    Michael Menges

  5. Zum Abschied die Favoriten aus unserem Lieblingskalender:

    Flexibilität: Es gibt nichts, was nicht geändert werden kann.
    Initiative: Warte nicht auf Wind - nimm selbst das Ruden in die Hand!
    Herausforderung: Wer auf höhere Berge steigen will, muss auch schärferen Wind vertragen.

    ;-)

  6. Na, da will ich ja auch nur hoffen, daß Du uns Buchmenschen erhalten bleibst. Mit Blick auf die Sachlage in Mannheim, soweit sich das von außen beurteilen lässt, ein nachvollziehbarer Schritt. Und nach drei Jahren meiner Erfahrung nach ein guter Zeitpunkt, sich Neuem zuzuwenden. Hey-ho, dann sach ich mal: Auf bald! Wir lesen uns. Wie gut, daß es Quasselbuden wie Twitter und Gesichtsbuch gibt.
    P.S. Der zweitliebste “Lieblingskalender”, ist das der mit den Horoskopen?

  7. Hey Leute. Vielen Dank für eure guten Wünsche, über die ich mich sehr freue! Ich habe auch im Verlag einige sehr nette Mails bekommen, die den Abschied nicht gerade erleichtern … Auch an dieser Stelle dafür Danke!

    Torben hat es gut ausgedrückt: das BI war/ist eben mehr als ein Job.

    Da es jetzt eh schon viele wissen: Es geht nach Berlin zu Neue Digitale / Razorfish.

    @Wibke: Der zweitliebste ist natürlich der Urlaubskalender :-)
    @Alex: Im Geiste bleibe ich das bestimmt, war ich ja quasi immer. BuchCamp ist vorgemerkt!

  8. Pingback: Sascha

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