Die Notepad-Misere

What you see is what you get. Das mag für einfache Dinge gelten, für einen Stein oder eine Pflanze.

Nein, auch für einfache Dinge … Moment, was sind einfache Dinge?

xkcd: Actually, I think if all higher math professors had to write for the Simple English Wikipedia for a year, wed be in much better shape academically.

Kommt wohl darauf an, wie man es benutzen will, das Ding. Ein Feuerzeug zum Beispiel ist einfach zu benutzen. Aber ist es deswegen einfach? Einfach herzustellen zum Beispiel?

Das Gleiche gilt für Texte im Browser. Steht der Text nicht gerade Blau auf Rot, kann man ihn meistens ganz gut benutzen, also lesen. Ob es auch einfach war, den Text herzustellen?

Egal wohin man schaut, überall findet man WYSIWYG-Editoren. Und die gaukeln dem Benutzer vor, dass der veröffentlichte Text am Ende genauso aussieht, wie der Text jetzt im Editor erscheint. Außerdem, und das ist viel schlimmer, weckt so ein WYSIWYG-Editor Erwartungen — immerhin hat er eine Toolbar fast wie Word. Die Erwartungshaltung lautet also: Word im Browser1.

Jetzt nicht die Stirn runzlen. Geht mal bitte nicht von Euch aus — ich nehme an, die wenigen Leser meines Blogs sind ähnliche Techies wie ich und kämen nie auf diese Idee. Und bitte, “Ah. DAUs!” braucht an dieser Stelle keiner zu denken. Wir reden von Lieschen Otto-Müller, die prima mit Word klarkommt (und vielleicht sogar schon mal mehr als einen Brief damit geschrieben hat) und ausgeguckt wurde, Texte auf der Website zu veröffentlichen.

Der erste Stolperstein: Sieht der publizierte Text im Frontend wirklich so aus wie im Editor? Nö. Warum? Weil die CSS-Definitionen des Frontends es nicht bis zum Editor im Backend schaffen.

Und zweitens: Funktioniert der Editor wie Word? Nö. Man kann nicht mal Text aus Word einfach so in den Editor kopieren. Jaja, das liegt vor allem an Word. Vor allem. Aber nicht nur.

Ach so, warum ich hier auf Word rumreite. Weil es nun mal die Standardtextverarbeitungssoftware in Unternehmen ist.

Nun hat man zwei oder drei Alternativen. Entweder man nimmt beim Copy&Paste einen Umweg über Notepad, oder man schult seine Contentlieferanten im Umgang mit dem Editor, oder man lässt sie gleich in Dreamweaver schreiben.

Die Notepad-Misere: Sage und schreibe 9 (neun) Schritte sind nötig, um einen Text aus Word über Notepad in die textarea zu bekommen. Das ist … Schlecht.

All in one place geht leider nicht. Was ist mit Rechtschreibung- und Grammatikprüfung? Mit gelieferten Texten? Entweder hat man Glück und der Redakteur braucht keine Rechtschreibung- und Grammatikprüfung, weil er die zwölf Duden-Bände auswendig gelernt hat, dann kann er direkt lostippen. Bekommt seine Kollegin aber Texte geliefert (von Externen, aus der Presseabteilung, dem Vertrieb oder aus anderen undurchsichtigen Quellen), muss sie den Text im Editor nachbauen. Der Spaßfaktor dürfte entsprechend gering sein, von der Produktivität ganz zu schweigen.

Träume zerbrechen an der harten Realität. Dreamweaver ist eben keine Textverarbeitung, sondern ein Websitemanager mit XHTML-Fähigkeiten.

Letztlich sind alle drei Optionen nur workarounds, aber keine Lösung des Problems. Schade.

Bleibt der Weg über ein highly sophisticated Redaktionswerkzeug, das SGML ausspuckt, welches transformiert wird und automatisiert die Publikationskanäle füttert. Na klar, für eine Pressemitteilung oder eine Produktbeschreibung (die online bitte nicht der im gedruckten Katalog entspricht!).

Oh, und nicht zu vergessen die Contentmanager, Leute, die den lieben langen Tag Texte nachbauen. Und wenns mal eine Woche keine Änderungen zu machen gilt, drehen die Däumchen. Jetzt sagt nicht, dass man ja zwei Leute schulen kann und die das dann eben machen. Tagesgeschäft anyone? Urlaub? Krankheit? Dienstreise?

Was wir brauchen, ist ein WYSIWYG-Editor, der seinen Namen verdient. Und wenn Word eben Bockmist in die Zwischenablage packt, dann muss es eben der Editor richten. Was TinyMCE und FCKEditor da als Lösung präsentieren, ist Halbseidenes — nicht mehr.

Bis dahin bekomme ich (berechtigte) Meckeranrufe und muss die Texte im CMS selbst nachbauen. Nachbauen!

1: Ribbons im CMS-Editor? OMG.

2 comments

  1. Pingback: Sascha

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